· 

Was hat Improtheater mit Organisationen zu tun?

Liebe Klara,

wir könnten heute über viele Inhalte sprechen,weil Du eine bunte Mischung an Erfahrungen mitbringst. Du hast einen interkulturellen Hintergrund, zahlreiche Auslandserfahrungen, bist Psychologin, gestaltest Podcasts und so weiter. Aber am interessantesten finde ich gerade, dass Du eine Leidenschaft für Improtheater hast.

Wie passt das zu Deinen sonstigen Themen?

 

Tja, das ist eine gute Frage :D Das klingt natürlich erstmal alles total unterschiedlich und meine Motivation fürs Improtheater resultierte auch aus dem Wunsch, neben dem Studium noch verschiedene Dinge auszuprobieren und auf abwechslungsreiche Art und Weise kreativ arbeiten zu können. Aber mittlerweile würde ich sagen, dass man nicht nur in der psychologischen Arbeit, sondern auch beim Improtheater sich selbst und andere viel besser kennenlernen und auf ganz spannende Art und Weise mehr über sich und andere erfahren kann.

 

Ist Improtheater nicht auch ein Spiel mit der Unsicherheit?

 

Ja absolut. Man weiß vorher nie, was passiert und muss auch währenddessen ständig flexibel sein und auf die anderen Personen reagieren. Das macht aber auch großen Spaß, weil nie Langeweile aufkommt.

 

Das ist geradezu eine Steilvorlage, um den Zustand auf der Bühne mit der Wirtschaft zu vergleichen. Auch hier sind die Zeiten der fünf-Jahres-Pläne längst vorbei. Stattdessen muss man sich mit ständig wechselnden Rahmenbedingungen arrangieren und nur diejenigen Unternehmen, die flexibel genug sind, haben gute Chancen weiter zu bestehen.

Wie geht man auf der Impro-Bühne denn damit um, den nächsten Schritt nicht zu kennen?

 

Ja, das kann ich mir gut vorstellen; da ist Corona ja ein perfektes Beispiel. Also eine offene Grundhaltung gegenüber dem, was kommt, ist da immer ganz wichtig. Man ist ja in den seltensten Fällen alleine auf der Bühne - oder im Geschäftskontext. Beim Impro gibt es da die Grundregel, Angebot immer anzunehmen, also die anderen nicht zu blockieren. Wenn beispielsweise dein(e) Mitspieler*in sagt “Oh nein, guck mal, da vorne brennt ein Haus” und man darauf erwidert “Was? Nein, das bildest du dir ein”, ist der/die Mitspieler*in blockiert und es geht nicht weiter. Wenn man hingegen offen und neugierig darauf eingeht oder zumindest nachfragt, kann es weitergehen. So kann man dann gemeinsam aufeinander aufbauen und eine sichere Basis für eine unsichere Situation schaffen. Neugierde und Offenheit sind also die Schlüsselworte.

 

Klara beim Spiel mit der Unsicherheit

Übertragen auf Organisationen könnte das bedeuten, Lernangebote immer anzunehmen. Möchte man die Mitarbeitenden weiterentwickeln ist es wichtig, einen ausgewogenen Wechsel zwischen Lern- und Sicherheitsphasen einzuplanen. Dann wachsen die Menschen, sind aber nicht überfordert.

Hast Du es schon mal erlebt, dass die Teilnehmer des Improtheaters sich zu viel zugemutet haben und mit der fiktiven Situation nicht umgehen konnten?

 

Bei unseren Improtrainings kam das tatsächlich sehr selten vor, da immer ein ausführliches Aufwärmen stattgefunden hat, bei dem die Teilnehmenden sich kennenlernen und damit warm werden konnten, sich im Kleinen darin zu üben, auch mal über die Schamgrenze hinauszugehen. Das ist extrem hilfreich und passt auch zu dem, was du über Organisationen sagst. Wenn der sichere Rahmen geschaffen ist, kommt auch eher der Mut, die Komfortzone zu verlassen und sich auf die Bühne zu trauen. Beim Powerpoint-Karaoke kenne ich das eher; da gehen die Teilnehmenden ohne Vorbereitung auf die Bühne und halten Spontanvorträge ohne vorher zu wissen, worüber. Dieses Format, das sich mittlerweile als Bühnenunterhaltung durchgesetzt hat, kommt ursprünglich auch aus dem Improtraining.

 

Ich habe als Moderator bereits im Business-Kontext Powerpoint-Karaoke genutzt, um Tagungen und größere Workshops aufzulockern. Es passt also auch hier, wenn die Teilnehmer nur genügend Vertrauen in sich selbst haben und ihre Kollegen ihnen ein sicheres Umfeld vermitteln, in dem man sich auch mal bühnenreif daneben benehmen kann.

 

Ja, genau, bühnenreif daneben benehmen trifft es gut! Auch auf der tatsächlichen Bühne gehört das eben auch dazu, besonders beim Impro. Bei den Bühnenauftritten bei PP-Karaoke kommt es allerdings häufiger vor, dass die Teilnehmenden stark überfordert und verunsichert sind. Da ist es dann wichtig, beispielsweise über das Publikum oder die Folien für ein wenig Sicherheit zu sorgen. Bei Shows sollte bei der Moderation das Publikum darauf hingewiesen werden, die Teilnehmenden mit Applaus und Wohlwollen zu unterstützen und darauf geachtet werden, dass auf den Folien genug draufsteht, auf das der/die Teilnehmende zurückkommen kann. Also eben auch einfach Sicherheiten bieten in einer Situation voller Unsicherheit.

 

Das wiederum kann ich vergleichen mit Organisationsstrukturen: wenn die innere Sicherheit der einzelnen Menschen nicht ausreicht, um handlungsfähig zu sein, muss es das Unternehmen kompensieren und äußere Strukturen der Sicherheit schaffen. Das geschieht über Führung, Zielsetzung, stabile Rahmenbedingungen etc. Wenn man dies jedoch übertreibt, wird es ein starres Korsett, welches das innere Wachstum der Mitarbeiter verhindert.

Wie schafft es denn der Einzelne auf der Bühne, die innere Sicherheit aufzubauen?

 

Puh, das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil da jeder seine eigenen Strategien hat. Aber sich vor Augen zu führen, dass man das Ganze freiwillig macht und vor allem deshalb, um Spaß zu haben, ist natürlich hilfreich, um Nervosität herauszunehmen und sich sicherer zu fühlen. Keine Angst vorm Scheitern zu haben ist außerdem sehr wichtig und wird beim Improtheater recht stark trainiert - recht automatisch eigentlich.

Wenn man also mit dem Bewusstsein an die Sache herangeht, dass es kein Weltuntergang, sondern im besten Falle sogar eine förderliche Erfahrung ist zu scheitern, fällt ganz viel von der Unsicherheit ab.

Ich persönlich schwöre außerdem darauf, der Unsicherheit mit einem Augenzwinkern zu begegnen, denn ein humorvoller Zugang nimmt oft Angst und bringt auch in schwierige Situationen ein wenig Leichtigkeit.

 

Ein toller Satz, den werde ich mir merken. Außerdem habe ich immer mehr Lust, mal Improtheater auszuprobieren. Meine letzte Frage an Dich ist aber eine ganz andere: welcher spontane Einwurf beim Impro hat Dich mal so richtig kalt erwischt?

 

Haha, also da fällt mir vor allem mal ein Spiel ein, bei dem die Aufgabe war, nur in Reimen zu sprechen. Im Reime-Improvisieren bin ich nämlich katastrophal schlecht und dementsprechend war das dann ein ziemliches Gestottere, ab und zu unterbrochen von ganz platten Reimschemata.

 

Dann wollen wir genau damit das Interview abschließen und reimen uns zu Ende.

“Wenn die Klara mit dem Christoph in den Austausch geht…

 

...und sie ihm ihre Schwäche im Reimen verrät, fordert er echt ihre Kreativität und für sinnvolle Satzenden kommt jede Hilfe nicht rechtzeitig.”

 

Klara ist Psychologin mit Kreativhintergrund; sie tritt seit Jahren auf Bühnen auf - manchmal auch mit eigenen Texten, aber am liebsten mit Improvisationsanteilen - z.B. mit Improtheater, Powerpoint-Karaoke oder ihrem eigenen Showformat Streamprovisation. Bei ihrem Wunsch, die Psychologie und die kreative Arbeit zu verbinden, ist sie auf Storylines gestoßen und mit Christoph in Kontakt gekommen. Mehr Infos gibt es unter https://klaragyoerbiro.weebly.com.

Dieses Interview führte (und lachte dabei viel):

Christoph